Famiienspiritualität
Familien-Spiritualität
Die Spiritualität der Familie hat wesentlichen Einfluss auf jedes ihrer Mitglieder, insbesondere auf die Heranwachsenden. „Die Familie ist fast immer das Glaubensschicksal des Kindes ... In der Familie kann der Mensch Befreiung von Angst und Einsamkeit und damit ein Stück 'Erlösung' erfahren. Hier umfangen ihn das Vertrauen, die Geborgenheit und die Fürsorge, die auf das Angenommensein durch Gott und auf Gottes Treue hinweisen." Die Haltung der Eltern vermittelt den Zugang zu Gott, der sich von uns 'Vater' nennen lässt. Das Beispiel der Eltern lässt die Kinder verstehen, dass das Leben nicht Macht, Selbstbehauptung und Konkurrenzkampf ist, sondern ein rücksichtsvoller Dienst am Nächsten.
Die Geschwister erziehen einander zu einer wahren und realistischen Geschwisterlichkeit und zu gegenseitigem Verständnis. In den alltäglichen Ereignissen des Familienlebens erfahren die Kinder ein Stück religiöser Familienkultur: das gemeinsame Mahl, Feste, Gespräche, Spiele, die Gestaltung gemeinsamer Freizeit, Umgangsformen, Versöhnung, gelebtes Brauchtum. Diese Familienerfahrungen fließen ein in die Feier der Sakramente, insbesondere der Eucharistie, ins Gebet und in die Lebenshaltung. Diese könnte im Sinn christlicher Spiritualität geprägt sein von den Haltungen des Dankes, der Versöhnung und der Verantwortung, die in der Familie eingeübt und vom Kind in freier Entscheidung zur Entfaltung gebracht werden kann.
Die Spiritualität der Familie steht wie das Familienleben selbst im Spannungsfeld verschiedener Generationen. Ratschläge können für die Familie hilfreich sein, diese aber umzusetzen und den eigenen Stil familiärer Spiritualität zu finden, ist ihre persönliche, unverzichtbare Aufgabe. Eine etwaige Konfessionsverschiedenheit in der Familie soll dabei kein Hindernis sein. Die Familien sollen sich ermutigt fühlen, „erfinderisch zu sein in der Suche nach zeitgemäßen Formen der Spiritualität, die beiden Generationen entsprechen; denn keine Familie kann ohne Schaden für den Glauben für immer auf gemeinsames Gebet verzichten. Auftauchende Schwierigkeiten und mögliche Enttäuschungen und Fehlschläge sollen dabei kein Grund zur Entmutigung sein. Keine Familie kann alles, jede aber sollte etwas verwirklichen".
Es gibt keine Erfolgsgarantie für eine in der Familie gelebte Spiritualität, sowie es auch keine Sicherheit gibt, dass Erziehung (nach den Vorstellungen der Eltern) überhaupt „gelingt". Glaube ist nicht „machbar", er bleibt ein Geschenk Gottes. Zwar kann die Familie die Offenheit dafür fördern und den Zugang erleichtern, aber die Glaubensentscheidung wird von jedem Kind ganz persönlich gefällt. „Oft müssen Eltern erfahren, dass ihre Kinder ihr Leben nach Maßstäben gestalten, die sie nicht gutheißen können. Auch wenn hier manchmal nur die Wahl zu bleiben scheint zwischen der Billigung dieses Verhaltens oder einer bleibenden Entfremdung, sollen die Eltern – ohne ihre christliche Grundüberzeugung aufzugeben – von sich aus in Liebe für ihre Kinder offen bleiben und die Ohnmacht dieser Liebe als ihr Kreuz sehen".
Die Erfahrung des Kreuzes gehört zum christlichen Leben ebenso wie die Bereitschaft, dieses Kreuz gemeinsam zu tragen als Familie, als Freundeskreis, als Gemeinde. In allem aber weiß die Familie, dass letztlich alles in Gottes Hand ist. Ihm kann sie sich in der Weisheit des Glaubens anvertrauen. Ihm kann man zutrauen, dass alles „gut" wird und Sinn hat, selbst wenn dieser für die menschliche Einsicht nicht zugänglich und manchmal sogar ein „Ärgernis" ist. Die Wege und Gedanken Gottes bleiben ein Geheimnis seiner nie ganz genau zu begreifenden Liebe. In diesem Sinn mag auch die christliche Familie eine Erfahrung Gottes machen: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken" (Jes 55,9).
aus: Walter Krieger, Spiritualität der Persönlichkeit, Würzburg (Echter) 1998, 50-51 .